deutsch

english

italiano

francais

espanol

 




Wir werden, was wir schauen

Jahrhundertelang war die Kirche Matrix, Mutterboden großer Kunst. Es gäbe unsere europäische Kunst nicht ohne diesen Mutterboden.
Freilich, seit der Barockzeit, seit dem 19. Jahrhundert ist ein Bruch geschehen zwischen Kirche und Kunst, Kunst und Kirche, wie auch ein gewisser Bruch zwischen Kunst und Gesellschaft festzustellen ist. Ein Weg der Entfremdung.
Es sieht so aus, als ob die Quellen, aus denen jahrhundertelang die Kunst gelebt hat, versiegt wären oder nur mehr als schwache kleine Rinnsale existierten, aus denen gelegentlich einzelne herausragende Werke befruchtet, belebt wurden. Aber der große Strom der Kunst hat sich anderswohin bewegt.
Es ist daher umso bedeutsamer, daß Künstler aus dem Glauben, aus dem gelebten Glauben heraus und gleichzeitig aus dem Verlangen nach künstlerischer Gestaltung sich zusammentun und behutsam versuchen, wieder ein ABC der christlichen Kunst zu buchstabieren.
Daß dieser Versuch tastend ist, wird man ihnen nicht übelnehmen. Was ist schon an der heutigen Kunst gewiß? Und wenn es allzu selbstsicher auftritt, dann ist Skepsis angebracht.
Hier versuchen Künstler, wieder etwas vom Wesentlichen der christlichen Kunst zu entdecken, und sie trauen sich damit beherzt an die Öffentlichkeit zu gehen, und ich spreche ihnen hier meine Anerkennung und meinen Dank und auch meine Unterstützung aus.

Gottes Lob ist selbstlos
Zwei Hauptaufgaben hat die christliche Kunst.
Der erste Sinn christlicher Kunst kann nur sein: das selbstlose, das nicht berechnende, einfache Loben Gottes. Gott zu loben bedarf keiner Rechtfertigung. Gott zu loben hat seinen Grund in sich selbst. Und gerade die Kunst, die nicht auf Quantität, nicht auf Funktionalität primär aus ist, ist geeignet für das selbstlose Lob Gottes.
Und ich hoffe, daß in den Werken, die hier ausgestellt sind, die musikalisch geboten wurden, die in dichterischer Form uns gesagt werden, etwas von diesem Lob spürbar wird, an dem unsere Welt so sehr Mangel hat, und das dieser Welt soviel mehr Glanz und Schönheit gäbe.

Verkündigungscharakter der Kunst
Und das Zweite, was christlicher Kunst eigen ist, ist der Verkündigungscharakter: zu zeugen von dem, was der Glaube sagt und bekennt.
Durch die Schönheit der Werke, sagt das Zweite Vatikanum, wird der Sinn der Menschen Gott zugewendet - Verkündigungscharakter der Kunst.

Widerschein der göttlichen Ordnung
Welches sind nun die Quellen dieser Kunst?
Zwei vor allem: Das eine klassische Thema seit der Antike, von Augustinus und Thomas aufgegriffen, von den großen christlichen Meistern, die die Schönheit als ?splendor ordinis?, als Abglanz und Widerschein der göttlichen Ordnung, der Schöpfungsordnung sehen.
Und damit hat Kunst einen Bezug zur gottgestifteten Ordnung der Schöpfung. Nicht einfach Natur-nachahmung, wohl aber ausgehen von der Natur, sie studieren, von ihr lernen als dem Buch des Schöpfers.

Christliche Kunst spricht von geschichtlichen Ereignissen
In christlicher Kunst aber kommt immer noch ein zweites dazu: das Element der Geschichte. Denn der christliche Glaube beruht auf geschichtlichen Ereignissen. Von diesen zu sprechen, zu künden, sie zu erzählen, ja sie zu verkünden ist stets Aufgabe christlicher Kunst gewesen, sei es in Symbolen, vor allem aber in der Narration der Ereignisse.
Stets war christliche Verkündigung auf das Bild angewiesen. Nicht das bloße Widerspiegeln der Schöpfung, sondern immer auch das Bild der Geschichte des Glaubens, vom Alten Bund bis hin zu den Heilsereignissen der Geschichte des Neuen Bundes und der Kirche.

Christliche Kunst führt zum Gebet
Die hl. Theresia von Avila (um sie zu zitieren, nachdem wir die wunderbaren Worte des Johannes vom Kreuz gehört haben) empfiehlt, wir mögen möglichst stets, möglichst zu jeder Zeit ein Bild Christi oder Mariens oder der Heiligen vor Augen haben, damit wir werden, was wir schauen.
Aus solchem Schauen der Heilsereignisse, der heiligen Gestalten ist die christliche Kunst hervorgegangen, und deshalb berührt ihre Schönheit bis heute. Sie kann zum Gebet führen. Kunst kann hier wirklich Gotteslob werden.
Auch von der Musik gilt dies, und vom Wort der Dichtkunst, und hier habe ich den Worten von Herrn Senatsrat Müller nichts hinzuzufügen.

Mit diesem Projekt "IMAGO", das jetzt zum zweitenmal in eine Ausstellung mündet, ist vor gut zwei Jahren begonnen worden.
Ich freue mich, daß dieser Künstlerkreis so lange Zeit (in unserer hektischen Zeit schon ganz schön lange) zusammengeblieben ist und hoffentlich weiter zusammenbleibt. Denn es könnte so sein, daß aus diesem Kreis wieder so etwas wie eine neue gemeinsame Sprache, nicht notwendigerweise ein identischer Ausdruck bei allen, sondern ein gemeinsames Grundgespür, ein Wiederentdecken der Grammatik und Semantik christlicher Kunst erwachsen könnte.

Nur höchste Qualität genügt in der christlichen Kunst
Die Katholische Kirche hat immer betont, daß beides notwendig sei: daß der Künstler, der sich mit den Themen des christlichen Glaubens auseinandersetzt, auch versucht, diese selber zu leben, zu erleben, im Glauben zu schauen. Aber daß er gerade von der Höhe seines Themas her auch den hohen Anforderungen nach Qualität genügen möge. Denn hohe Qualität ist der Größe des Gegenstandes angemessen.
Daß die Künstler, die hier ihre Werke präsentieren, sich um beides bemühen, darum ringen, das dürfen wir dankbar anerkennen.
So wünsche ich dieser Ausstellung hier im Palais Palffy und anschließend in Burg Schlaining, wo sie eine Fortsetzung finden wird, viel Erfolg, und ich sehe darin ein Hoffnungszeichen für die Kirche und auch für unser Land.

zurück

 


Herausgegeben von der Kulturstelle der Erzdiözese Wien 1998

 

Kulturstelle der Erzdiözese Wien; Wollzeile 2, 1010 Wien; Austria
Tel.: +43/(0)1/51552/3225, Fax.: +43/(0)1/51552/3069, Email: imago@edw.or.at.
Webdesign: Karl Gast - 1120 Wien