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Wie eine große Symphonie zum Lob des Herrn

Auf die Frage, was denn eigentlich die Inhalte der Musik seien, über die viel geschrieben, gesprochen und diskutiert wird, die man aber nicht so recht erfassen kann, weil sie zu unbestimmbar sind - auf diese Frage hat der große Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy gemeint, daß die Inhalte der Musik viel zu bestimmte, und nicht zu unbestimmte seien, um sie in Worte zu fassen.
Und damit hat er eigentlich eine Formel nicht nur für die Musik, sondern für das Wesen aller Künste geprägt: denn die Künste setzen doch meist dort an, wo uns buchstäblich die Worte ausgehen, wo wir über kein Vokabular mehr verfügen; wenn wir uns in Gedanken versenken und auf ein Gebiet begeben, um das auszudrücken und verständlich zu machen, was der nüchternen Sprache nicht mehr zugänglich ist.
In dieser Kunst, die eine so bedeutsame Rolle in unser aller Leben spielt, stehen sich zwei Gruppen von Menschen gegenüber: auf der einen Seite jene, denen Gott in die Wiege hinein schon ein hohes Talent gelegt hat, der künstlerischen Sprache und Darstellung mächtig, Menschen, die imstande sind, Kunstwerke zu schaffen. Ihnen gegenüber stehen wir alle, die mit dieser Gnade nicht versehen wurden, aber die aufgrund der ästhetischen Grundveranlagung, die allen zu eigen ist, und der Sehnsucht nach Schönheit doch auch ein Partner dieser Kunst sind. Wir bewundern die Werke, wir versuchen ihren Inhalt zu verstehen oder zumindest zu erahnen.
Wir machen uns die Kunst aber auch immer wieder und vielfältig dienstbar. Das beginnt im Alltag. Wir alle wissen es: Wenn man einen Menschen verehrt oder wenn man ihm Dank schuldig ist - man kann ihm das mit Worten sagen. Aber deutlicher wird es ausgedrückt, wenn wir ihm etwas schenken: ein Kunstwerk, ein Bild, ganz im Sinn von dem berühmten Sprichwort, daß ein Bild mehr sagt als tausend Worte.
Wir bauen ein Haus - wir wollen haben, daß es nicht nur nützlich und praktisch, sondern daß es auch schön ist.
Wir zieren unsere Wände mit Bildern, Kunstwerk und Zierat, weil wir das Bedürfnis nach Schönheit haben. Und die Reichen, die Mächtigen der Welt, haben seit Jahrhunderten ihre große Stellung schon dadurch dokumentiert, daß sie große Häuser und Paläste errichteten. Regierungen aber auch wir selbst veranstalten Feste und Feiern; und keines dieser Feste ist denkbar ohne einen Beitrag der Kunst.
So ist die Kunst ein wesentlicher Bestandteil unseres Daseins, ja man könnte sagen, ein integrierender Teil unseres Daseins, sie ist unabdingbar.

Die Kunst in der Rolle des Mittlers
Wenn nun die Kunst schon in diesen Bereichen eine so große Rolle spielt, um wieviel mehr sind die Künste gerufen, wenn es um die wirklich großen, um die letzten Dinge geht: um den Sinn unseres Lebens, um den Tod, die Ewigkeit und um Gott.
Da hat die Kunst nun eine ganz andere Rolle. Da genügt es nicht mehr, ästhetisch zu gestalten und nach musealen Graduationen zu bestehen. Da ist die Kunst in einer Mittlerrolle, der Vermittlung der Botschaft unseres Glaubens, der Verdeutlichung der Kunde, die uns die Kirche lehrt. Sie ist hier sozusagen ein Additiv für das Wort, weil wir nicht nur im Verstand und im Denken, sondern auch in unserem Gefühl, der Empfindung, in unseren Sinnen angesprochen sind und damit in unserem ganzen Menschsein erfaßt werden. Die kirchliche Kunst hat somit die Rolle eines Mittlers. Sie erweitert, sie vertieft, sie schmückt die Lehren unserer Kirche.
Wir sehen diesen Drang nach künstlerischer Gestaltung der kirchlichen Lehre an ihr selbst, an ihrer Sprache. An unzähligen Stellen erhebt sich die kirchliche Sprache zu künstlerischem, geradezu poetischem Ausdruck.
Wer von uns wäre nicht mitgerissen etwa von dem enthusiastischen Elan des Gloria im Ordinarium unserer Messe. Wer wäre nicht tief beeindruckt von der kunstvollen, visionären Wortfolge des Credo mit seinem "et iterum venturus est", mit seinem "iudicare vivos et mortuos"? Nicht Drohbotschaft, wie man uns heute einzureden versucht, sondern Sehnsucht und Verlangen nach der endgültigen, wahren, wirklichen Gerechtigkeit - einer Gerechtigkeit, die Staaten, Gesetze und Gerichte nicht einmal im Ansatz zu erreichen vermögen.
Wer möchte in der Anbetung vor dem Altarsakrament nicht die Dichtungsworte der Hingabe des Thomas von Aquin nachsprechen, die er uns in seinem "Adoro te devote" hinterlassen hat?
Und wer von uns sollte nicht, statt sich immer selbst zu bespiegeln, von Selbstfindung, Identitätskrisen und all dem zu faseln, dem hymnischen Apell der Jünglinge im Feuerofen folgen, die da alle aufrufen: Menschen, Tiere und die ganze Natur, einzustimmen in ein großes Lob ihres Herrn.
Aber sehen Sie, dort wo auch das alles noch zu wortgebunden ist, zu begrifflich oder sagen wir zu intellektuell, da setzen nun die anderen Künste ein:
Die kirchliche Baukunst, die uns die herrlichen Dome und Kathedralen mit den zum Himmel weisenden Türmen geschenkt hat, mit den vielen schönen Kirchen auf dem Land, mit den Kapellen und Bildstöcken bis hoch in die Berge hinauf.
Die Bildhauerei, die Figuren - Heilige - und Altäre dort hineingesetzt hat. Die Malerei, die uns vieles aus dem Glauben durch prächtige Gemälde buchstäblich augenfällig macht.
Und schließlich sie, die selbst alles Bildliche abgestreift hat, keine Sache mehr ist, sondern Tun, Leben, Erleben und Ausdruckverleihen: sie, die vielleicht von allen Künsten dem Himmelstor am nächsten gelangen kann - die Musik.
All diese Künste vereinigen sich wie in einer großen Symphonie zum Lob des Herrn und dienen dazu, das Wort der Kirche zu verdeutlichen, ja stärker zu machen; sie alle fesseln unsere Sinne, nicht nur unser Denken.

Mit der Bedeutung, die der Kunst aber in der Katholischen Kirche zukommt, hat es eine besondere Bewandtnis.
Denn unsere Kirchen sind nicht nur Versammlungshallen, Betstätten oder Vortragssäle, als welche uns so manche Kirchen anderer Konfessionen beim Betreten anmuten.
In unseren Kirchen sind alle Linien, alle Rundungen, alle Perspektiven und Gänge auf ein Ziel hingeordnet. Alles weist den Weg zum Altar mit dem Tabernakel, der geheimnisvollen Wohnstatt des wahren Gottes mitten unter uns. Unsere Kirchen sind Gotteshäuser.
Und da sind nun alle aufgerufen, alle Menschen, ihr Bestes zu geben, vor allem die Künstler, alles zu tun um diese Stätten auszuschmücken, nicht mehr um unserem ästhetischen Empfinden zu genügen, sondern um Ihm - an Ihn gerichtet - es so schön und herrlich zu gestalten, als es menschenmöglich ist, in Hingabe an Ihn, in Anbetung und Verherrlichung des Herrn.

Kirchliche Kunst im Museum?
Das ist die hehre Rolle der Kunst unserer Kirche.
Ich darf noch, wenn Sie gestatten, hinzufügen, daß die Plazierung, der Ort, wo kirchliche Kunst aufgestellt wird, nicht ganz unbedeutend ist.
Es ist eine eigentümliche Erscheinung (ich weiß nicht, ob Sie mir da folgen werden), aber ich persönlich bin immer etwas irritiert, ein kirchliches Werk, ein kirchliches Bild oder kirchliche Musik in weltlichem Rahmen zu sehen oder zu hören - ein schönes Heiligenbild in einem Schloß statt in einer Kirche, eine Kruzifixgruppe in einem Museum. Dann ärgere ich mich immer und denk? mir: das gehört woanders hin.
Aber wissen Sie, ich glaube selbst, das ist nicht ganz richtig: vergessen wir nicht, daß der Besucher in einem Museum, wenn er ein solches Bild oder ein solches Kruzifix sieht, doch vielleicht, einen Moment von diesem Anblick inspiriert, seine Gedanken, wenn auch nur flüchtig, in religiöse Richtung lenkt.
Ja vielleicht noch mehr: Könnte das nicht sogar eine erste Begegnung sein mit dem Glauben? Im Idealfall wird der Betrachter zu denken beginnen und sich dem Glauben und dieser Kirche nähern, ausgelöst durch ein Kunstwerk, diese Figur oder dieses Bild.
Auf der anderen Seite sind alle diese in der freien Welt ausgestellten kirchlichen Kunstwerke wie Richtungspfeiler: sie alle weisen letzten Endes ja doch auf die eigentliche Heimstätte hin, auf den Ort wo sie beheimatet sind - auf die Kirche.
Die Wichtigkeit und das Gewicht des Aufstellungsortes eines Kunstwerkes – das gestatten Sie mir noch hinzuzufügen - konnte man an einem grandiosen Beispiel unmittelbar und zutiefst beeindruckend erleben: an der Himmelfahrt Mariä des Tizian.
Dieses berühmte Bild war in der ebenso berühmten Akademie in Venedig ausgestellt. Da konnte es aus der Nähe betrachtet werden.
Man wurde informiert und instruiert über die Umstände der Entstehung des Bildes. Es gab auch einen Katalog, in dem neben vielem anderen auch alles über dieses Werk stand, sagen wir unter Nummer 95: über das Format des Bildes, wann es entstanden ist, wie Tizian gelebt hat, Hinweise auf die Perspektive, die Kompositionsart, einfach alles; wahrscheinlich auch das Künstlerhonorar, das ist ja sehr wichtig.
Man ist also belehrt, als ein Wissender weitergegangen. Dann kam Nummer 96, das war, glaube ich, ein Botticelli. Oder war es ein Veronese ? Wieder hat man im Katalog geschaut: aha, ganz anders als beim letzten Bild, da ist das also so. Vergleiche mit den Deckengemälden im Dogenpalast und noch dieses und jenes.
Dann ist die Nummer 97 gekommen; da war man schon etwas müde von dem langen Weg durch die vielen Gänge und die Museumssäle. So banale Menschen wie ich zumindest haben sich dann verstohlen umgesehen nach einem Seitenausgang, durch den man entwischen konnte, um sich im lebendigen und bunten Treiben um den Canal Grande von den allzu zahlreichen Kunsteindrücken zu erholen.
Aber dann, ich weiß nicht, wer es veranlaßt hat, ich weiß auch nicht genau wann, wurde das Bild aus dem Museum herausgenommen und an den Ort seiner eigentlichen Bestimmung gebracht. Dort ziert es bis heute den Hochaltar der prachtvollen Kirche Frari.
Da hat man es wiedergesehen. Unbelästigt von kunsthistorischen Ergüssen und ungestört vom Geschwätz der Fremdenführer und Kustoden ist man überwältigt, ja wirklich überwältigt von der Schönheit dieses Gemäldes, von seiner Aussagekraft und seiner Botschaft, auf die Knie gefallen. Und selbst wenn der große Papst Pius XII. die Himmelfahrt Mariä nicht zum Dogma erhoben hätte, dort hat man gespürt, gefühlt, geglaubt, gewußt - ja ... das ... nur das kann die Wahrheit sein. Kirchliche Kunst als die in Schönheit gekleidete Überbringerin der Botschaft des Glaubens.

In dem kleinen Künstlerkreis, der in der Erzdiözese Wien entstanden ist, sind Schriftsteller, Musiker, Bildhauer, Architekten und Maler durch feste religiöse Überzeugung sowie die absolute Treue zu unserer Kirche vereint. Aus dieser geistigen Disposition heraus ist so manches Schöne entstanden.
Aber bitte, nehmen Sie das nicht als einen Endpunkt, als Endresultat, denn das sind nur Schritte einer kleinen, wie wir hoffen, künstlerischen Belebung dieser Richtung, die bei weiterer Vergeistigung sicher noch zu etlichen Inspirationen führen kann.
Wir würden uns freuen, solchen Bildern dann an den Stätten zu begegnen, denen sie eigentlich zugedacht sind, wie ich vorhin ausführen durfte.
Für jetzt bleibt nur noch Seiner Eminenz, dem Herrn Kardinal für die hohe Auszeichnung zu danken, die er uns allen und unserer Sache durch seine Anwesenheit zuteil werden läßt und ihn zu bitten, die Eröffnung vorzunehmen.
Anschließend möchten wir Sie, sehr geehrte Damen und Herren, einladen, mit Eminenz einen kurzen Rundgang durch unsere kleine Ausstellung zu machen.

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Herausgegeben von der Kulturstelle der Erzdiözese Wien 1998
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