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Einführung
"Noch sind, und mehr als je, Harmonie und Schönheit, Gesetz und Phantasie die großen Ziele des Lebens wie der Kunst, sie werden es bleiben." (1)
Ob sich Fritz Wotruba geirrt hat? Der in seinem Schaffen durchaus nicht allein traditionellen Vorstellungen verhaftete Bildhauer hatte trotz der neuen Wege, die er beschritt, das Gespür für die wesentlichen Grundlagen und Aufgaben der Kunst noch nicht verloren.
Natur und Offenbarung, Geschichte und Erfahrung waren sich immer einig, daß künstlerische Betätigung Anlagen in Bewegung setzt, die der Schöpfer in die menschliche Natur hineingelegt hat. In den großen Kulturen, die die Wissenschaft aufgedeckt hat, war die Kunst immer mit der Religion verbunden - keine gesunde Entwicklung ohne ein ungefähres Gleichgewicht zwischen dem materiellen und dem geistig-sittlichen Fortschritt.
Wo man an Gott als dem obersten Maß aller Dinge festhielt, fand der Mensch Zugang zur notwendigen Ordnung des Seins und der Werte und damit auch der Sittenordnung.
Bedenkt man dies und nimmt die eingangs zitierten Worte Wotrubas als conditio sine qua non, so muß man sich fragen, ob die Kunst in ihrem Wesen heute überhaupt noch verstanden wird.

Trotz eines stets wachsenden Niveaus in Wissenschaft und Bildung gibt man sich heute auf dem Gebiet der freien Künste mit einer erstaunlichen Beliebigkeit, einem einfachen "alles ist möglich" zufrieden.
Die Katholische Kirche hat hier immer eine ganz eindeutige Haltung vertreten und versucht, die inneren Zusammenhänge zwischen Religion und Kunst im allgemeinen und zwischen praktiziertem Glauben und künstlerischer Vermittlung im Bereich der christlichen Kunst herauszustreichen. Mit Hilfe der Katholischen Philosophie hat sie versucht, dies auch in Worten zu erklären und verständlich zu machen.
So spricht denn auch der Katechismus der Katholischen Kirche von der Kunst als "einer Form praktischer Weisheit", die über das Streben nach dem Lebensnotwendigen hinausgeht, um der inneren Wahrheit einer Wirklichkeit in einer verständlichen Sprache Gestalt zu verleihen. (2)
Als Tätigkeit des Geistes dient die Kunst demnach dem Menschen, sich auf die lebendigste Weise auszudrücken, sein Denken und Fühlen in einer Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten mitzuteilen. Daß dies verschiedene Forderungen impliziert, nicht in grenzenloser Freiheit und Beliebigkeit geschehen kann, ist durch die Natur des Menschen selbst bestimmt: Im Schöpfungsakt hat Gott bestimmte Wesenszüge und Anlagen im Menschen verankert (Naturgesetz), die dem einen (nur dem Religiösen) aus dem Glauben, dem anderen (auch dem Nichtreligiösen) aus der Natur und der natürlichen Wesensart des Menschen heraus erkennbar sind.
Innerhalb dieses 'natürlichen' Rahmens, der der seinsmäßigen Würde seiner Gottebenbildlichkeit entspricht (3), kann der Mensch tätig werden - Thomas von Aquin spricht von der notwendigen Ausrichtung der menschlichen Vernunft an der göttlichen Ordnung, die in der gesamten Schöpfung erkennbar ist (4) - in aller Freiheit und persönlichen Kreativität.
Alles, was dieser seiner Natur und Wesensart nicht mehr entspricht, widerspricht der gottgegebenen Vernunft des Menschen und ist somit selbstzerstörerisch und dem 'Wahren', dem 'Natürlichen', nicht entsprechend.
In der Praxis bedeutet dies den harmonischen Aufbau eines Kunstwerkes gemäß der von Gott in der Natur vorgegebenen Ordnung; also die möglichst vollkommene formale Ausprägung einzelner Kompositionsteile und ihr harmonisches Verhältnis zueinander, was der natürlichen Schönheit entspricht, die auf allen Werken Gottes ruht.
Auch die verschiedenen Stilmittel dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Die Geschichte zeigt, daß sich Ausdrucksmöglichkeiten immer wieder ändern können; solange sie 'wahrhaftig' sind, sprich der Natur und dem Wesen des Menschen entsprechen und sich im Rahmen des Naturgesetzes bewegen, gelten auch die unterschiedlichsten Gestaltungsformen verschiedener Zeiten und Kulturen als wahre Kunst.
Doch ein zweites ist mit dem bisher Gesagten untrennbar verbunden: Das Naturgesetz fordert vom Menschen das Erkennen seiner selbst als Geschöpf und somit das Anerkennen eines Schöpfers. Dieses "Geschaffen-Sein"verlangt vom Menschen die dankbare Hinwendung zum Schöpfergott und daraus resultierend die Ausrichtung einer jeden menschlichen Handlung - also auch der künstlerischen - auf ihr eigentliches Ziel, das in der Nachahmung der Vollkommenheit Gottes besteht.
Der freie Wille ermöglicht es dem Menschen zwar, sich für oder gegen Gott zu entscheiden; insofern unterliegt sein künstlerisches Tun, das immer auch die Handlung des einen, sittlich verpflichteten Menschen bleibt, im zweiten Fall einem rein willkürlichen Empfinden: es fällt aus dem Rahmen der an Gottes Ordnung auszurichtenden Vernunft und ist als solches weder rechtmäßig, da wider das Naturgesetz, noch kunstvoll, weil gegen das Vollkommenheitsstreben gerichtet, das ja jede menschliche Handlung bestimmen soll.
Wenn auch die Kunsttüchtigkeit wesentlich nicht sittlich genannt werden kann, (5) ist der Künstler doch verpflichtet, den Vollzug seines Könnens auf das gottgewollte letzte Ziel einzustellen, denn "das einzige Subjekt jeder Art von Tätigkeit ist immer derselbe Mensch, dessen freie und bewußte Handlung sich der sittlichen Handlung nicht entziehen kann" (6) .
Die Kunstbegabung darf also den Zusammenhang mit dem sittlichen Leben nicht verlieren, will sie nicht in Vergeudung und Dekadenz enden.
Der heute oftmals getätigte Ruf nach der absoluten Freiheit in der Kunst führt sich daher ad absurdum; vielmehr wird durch die Unterordnung unter das göttliche Gesetz "die Freiheit des Künstlers in keiner Weise eingeengt oder aufgehoben"(7) , sondern die Begabungen des Menschen finden so ihre auf das Wesentliche ausgerichtete Entfaltung, und die subjektive Willkür menschlicher Handlungen wird vermieden.
Für künstlerisches Schaffen bedeutet dies weder, eine naturalistische Wirklichkeitsnachahmung anzustreben, noch sich in Kompositionen rein abstrakter Begriffe zu ergehen, sondern in einem kunstvollen Ausgleich den inneren Reichtum des Menschen zu offenbaren und immer wieder nach Vervollkommnung der gottgegebenen künstlerischen Talente zu streben.
Nicht um den Ausdruck schöngeistiger Empfindungen geht es, sondern um die Ausrichtung jeder künstlerischen Handlung an Gottes Ordnung vom letzten Ziel des Menschen, das Gott selbst ist: Insofern müssen auch erschütternde Kompositionen immer auch diese Hoffnung ausdrücken, auf die eigentliche Bestimmung alles Seienden verweisen, um dem Anspruch wahrer Kunst zu genügen.
Deshalb hat Gott unsere Natur angenommen, um uns in Jesus Christus das Bild der Vollkommenheit schlechthin - seine eigene Vollkommenheit - als Ziel vor Augen zu stellen. In dem Gott-Menschen Jesus Christus sehen wir das vollkommene Vorbild des Menschen, das Bild, in dem sich Gott selbst abgebildet hat. Durch ihn ist alles geworden, wurde alles geschaffen. Christus ist somit vollendetstes Bild und vollkommenster Künstler in einem; in ihm allein können wir daher nach Vollkommenheit streben und zur Vollendung gelangen.
Besonders wenn die Kunst christliche Wahrheiten darstellen will, hat sie sich diesem hohen Anspruch zu stellen.(8) Zwar will der Terminus "Christliche Kunst" nichts anderes besagen, als daß christliches Glaubensgut dargestellt wird - die eigentliche Tüchtigkeit, das künstlerische Können, bleibt als solches vom Christlichen unberührt. Doch die Themen des christlichen Glaubens zu gestalten, verlangt deren genaue Kenntnis, gleichsam das innere Auge, das durch ein christliches Leben geformt wird. Die christliche Lebenshaltung dringt sozusagen in das Schaffen des Menschen ein, der mit der göttlichen Gabe künstlerischen Könnens beschenkt ist, indem sie den Vollzug des freien Könnens, der in jeder menschlichen Tätigkeit mitwirkt, auf das übernatürliche Lebensziel hinordnet; sie veredelt und erhöht, was der gestaltend praktischen Vernunft vorangeht, die Ideenwelt, das Erleben großer Werte.
Hierin liegt die große Aufgabe, aber auch eine Chance der Kunst: an dem vollkommenen "Maßstab" - Jesus Christus - zu wachsen und in ihren Werken eine Qualität anzustreben, die menschliches Vermögen zu übersteigen scheint, unbegreiflich und faszinierend, wie wir das in der Vergangenheit schon oft erleben durften.
Der wahre und hier ganz besonders der christliche Künstler wird dann den "natürlichen" Charakter seiner Werke mit metaphysisch anmutender Strahlkraft verbinden können und so in gewisser Weise Teilhaber am Schöpfertum Gottes sein.
.............................................................................................................Georg Stein

(1) siehe: Neumayer/Witeschek, Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit
(2) siehe: Katechismus der Katholischen Kirche
(3) siehe: Gen1, 26-28
(4) "Das Wirken gemäß der Kunst und der Vernunft muß gleichförmig sein dem, was der
Natur gemäß, also von der göttlichen Vernunft gegründet ist". (Th. v. Aquin, S.Th.,II,II,50,4)
(5) siehe: Th. v. Aquin, S. Th. I,II,57,3-6
(6) siehe Papst Pius XII. in: Kirche und Kunst, Die Kunst im Blickfeld der Päpste und Heiligen (7) ebd.
(8) "Die Kunst um der Kunst willen, die auf niemanden als auf ihren Urheber verweist und keine Verbindung mit der göttlichen Welt herstellt, hat im christlichen Bildverständnis keinen Platz. Jede Form sakraler Kunst muß nämlich, unabhängig davon welchen Stil sie sich angeeignet hat, den Glauben und die Hoffnung der Kirche ausdrücken"
(Papst Joh. Paul II., Duodecimum Saeculum, 4.12.1987)


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