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I. Gläubiges Ja zur Kunst

Das grundsätzliche Ja zu Musik und Gesang in der Kirche ist unumstritten, und doch gab es im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder Perioden, in denen bestimmte feierliche Ausdrucksformen der Kirchenmusik kritisiert oder abgelehnt wurden. So gab es einst und gibt es in neuerer Zeit wieder eine "pauperistische liturgische Tendenz", derzufolge Musik "eine schöne, aber durchaus entbehrliche Zutat" zur Liturgie sei, entgegen der offiziellen kirchlichen
Auffassung, die die Kirchenmusik als einen "wesentlichen" und "integrierenden" Bestandteil der Liturgie bezeichnet, weshalb man heute "von so etwas wie einer Krise der Kirchenmusik" sprechen kann (Hans Haselböck, "Von der Orgel und der Musica sacra").

Das grundsätzliche Ja zum Bild in der Kirche ist ebenso unumstritten, und doch gab es Perioden in der Kirchengeschichte, in denen der Platz der Bilder im Gotteshaus, in der Liturgie und im christlichen Leben in Frage gestellt oder abgelehnt wurden. Professor Günter Rombold spricht von der heutigen Zeit als der Periode des dritten Bilderstreits, nach dem byzantinischen des 8. bis 9. Jahrhunderts und dem protestantischen des 16. Jahrhunderts.

Krise der Kirchenmusik - Krise des Kultbildes.
Beide hängen zusammen, haben gemeinsame, teils innerkirchliche, teils allgemein-gesellschaftliche Ursachen. So mag es hilfreich sein, diesen Ursachen nachzugehen beziehungsweise positiv nach der Bedeutung des Bildes für die Liturgie zu fragen, um von da aus Wege zur Erneuerung des christlichen Bildes zu finden.
Denn wie die Kirchenmusik, so wurzelt auch das Kirchenbild in allgemeinen menschlichen Vorgaben, doch findet es erst in Christus, dem "Bild des unsichtbaren Gottes" (Kol.1,15) seine volle Bedeutung. Dank Ihm wird die Kirche selbst zum Ort lebendiger Bilder, die vorausdeuten auf eine schon begonnene, aber noch zu vollendende Herrlichkeit: Musik und Bild in der Kirche sind "Vorgeschmack des Himmels" - oder sollten es sein!

Von der Zwiespältigkeit des Bildes
Hans Urs von Balthasar schreibt auf den ersten Seiten seiner großen theologischen Ästhetik ("Herrlichkeit", Band 1, Seite 37 bis 38), der byzantinischeBildersturm mit seinen theologischen Argumenten gegen das Bild in der Kirche sei ein warnendes "Korrektiv", das "bedacht werden will": Nicht nur der scharfe Bildersturm in Byzanz, sondern auch die bilderkritischen Strömungen bei den Karolingern, später bei den Zisterziensern (die gegen Auswüchse von Cluny reagieren und das Bild fast vollständig aus dem strengen Kirchenraum verbannen) seien solche Mahnungen. Auch heute mache sich, sagt Balthasar, dieses Korrektiv in Kirchenbaukunst und kirchlicher Kunst bemerkbar. In diesen Strömungen, die zur Bildaskese tendieren, tut sich eine stets und heute besonders berechtigte Sorge kund: Das Bild ist für uns nicht ohne Gefahr, denn es ist nicht eindeutig, es genügt sich daher auch nie selber.

Das Bild hat zwei Seiten: Es zeigt, doch verhüllt es auch. Es kann offenbaren, aber auch täuschen. Ein Maler kann im Porträt schmeichlerisch verschönen, aber auch schonungslos entlarven. Nicht nur die sichtbaren, äußeren Bilder sind zwiespältig, auch die inneren, die seelischen Bilder sind dergestalt: sie können helfend führen oder täuschend irreleiten.
Es genügt, ein wenig über diesen Zwiespalt nachzudenken, um sich bewußt zu machen, daß der Umgang mit Bildern, inneren wie äußeren, gar nicht selbstverständlich gelingt. Es bedarf offensichtlich einer Arbeit im Annehmen oder Abweisen von Bildern, im rechten Gestalten und im rechten Aufnehmen der Bilder.

Wir können dieser Arbeit nicht dadurch ausweichen, daß wir auf das Bild verzichten: Unsere Sprache ist auf Bilder angewiesen, ebenso unser Denken, ganz abgesehen vom Sehen, das uns ständig eine Flut von Bildern beschert, die unser Vorstellen und Denken prägen und die in den weiten Räumen unseres Gedächtnisses lagern, jederzeit bereit, gefragt, oft auch ungefragt, in uns wieder aufzutauchen und aus der Vergangenheit in die Gegenwart hineinzuwirken.
Angesichts der Flut von Bildern, die täglich auf uns eindringen, ist es verständlich, daß viele Menschen den Weg der Bildlosigkeit suchen, den die östlichen Religionen lehren: frei werden von allen Vorstellungen und Darstellungen, um die reine, ungegenständliche Meditation zu erreichen.

Die christlichen Meister lehren einen anderen Weg: es geht nicht um die Beseitigung der Bilder, sondern um den rechten Umgang mit ihnen. Der erste und fundamentalste Grund für die positive Einstellung zum Bild (wie auch zur Musik!) ist der Glaube an den Schöpfer des Himmels und der Erde. Alles, was Sein und Dasein hat, existiert, weil es von Gott geschaffen, und somit von Gott erdacht und "gebildet" ist. Der Schöpfer hat alle seine Geschöpfe nach seinem Willen und Plan gebildet, so daß alle Geschöpfe Ausdruck, Spur und Bild göttlicher Planung sind. In dem Maße, wie unser Herz rein wird, wird es fähig, die Dinge als solche Bilder wahrzunehmen.

Die frühen christlichen Meister sprechen von dieser Sehfähigkeit als der "physikè theoria", der "Schau der Natur", wobei sie darunter jenes Transparentwerden der Wirklichkeit verstehen, durch das die Dinge sich zeigen können, als das, was sie sind. Dazu bedarf es aber einer tiefen Läuterung unserer Phantasie, unserer Vorstellungen und Gedanken. Erst durch den Weg der Reinigung wird es möglich, daß die Gedanken Gottes, der schöpferische
Funke, der in allen Dingen brennt, uns aufleuchtet. Das erfordert zuerst die Reinigung der Gedanken, des Gedächtnisses und der Vorstellung. Vielleicht ist die Askese der Bilder heute mit die wichtigste Form der Askese. Sollen wir während der Fastenzeit nicht auch das "Bilderfasten" üben, indem wir deutlich den Bildkonsum einschränken? Vielleicht war der
Trend zur kargen, kahlen Kirchengestaltung auch aus dem Gespür erwachsen, daß wir heute eine Beruhigung der Wahrnehmung brauchen, um überhaupt vor lauter Bildern nicht die Wirklichkeit zu verlieren.
Doch ist dieser Weg der Reinigung nur Vorbedingung. Nicht um die schiere Leere geht es, sondern um die neue Kraft der Wahrnehmung des geläuterten Herzens. Erstaunlich, mit welcher Entschiedenheit eine hl. Theresa von Avila empfiehlt, wir sollten möglichst immer ein Bild Christi, Mariens oder der Heiligen vor Augen haben. Wir werden, was wir schauen. Theresia von Avila hat ihre entscheidende Bekehrung erhalten durch den Blick auf Christus, den Schmerzensmann, den eine Statue ihres Klosters darstellte.
Dieses Bild hat sie betroffen gemacht, es hat ihre Vorstellungen und Gedanken umgewandelt, hat sie ihrem Gedächtnis eingeprägt. Der stete Blick auf den, der sie in diesem Bild anblickt, hat ihr Herz verwandelt.

Aus solchem Schauen sind die großen Werke der christlichen Kunst hervorgegangen. Deshalb berührt ihre Schönheit bis heute. Sie führen zum Gebet, weil sie aus betendem Schauen erwachsen sind. Kunst wird hier zu lauterem Gotteslob.

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Herausgegeben von der Kulturstelle der Erzdiözese Wien 1994
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