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+ Mauro Piacenza
Titularbischof von Vittoriana
Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche
Präsident der Päpstlichen Kommission für Sakrale Archäologiesterreichischer Botschafter beim Heiligen Stuhl
( Vorwort im Katalog zur Austelllung " IMAGO 06 " in Prag)

Die Liebe für die Schönheit und für den Kult

In der letzten Enzyklika „Die Kirche und die Eucharistie“ von Papst Johannes Paul II. seligen Angedenkens folgt auf den theologischen Abschnitt, in dem die theologische Grundlage des Sakraments erklärt wird, ein liturgisch-künstlerischer Teil in dem Kapitel mit dem Titel „Das Dekorum in der liturgischen Feier“ (Nr. 47 – 52), in welchem sehr interessante Hinweise für den Kunstschaffenden gegeben werden und festgehalten wird, dass das Dekorum keinesfalls zweitrangig für den eucharistischen Kult ist.

Eine sehr interessante Bestätigung ist, dass Christus selbst das Dekorum wollte: Dabei erinnert man sich an die Vorbereitungen in dem Saal für das Letzte Abendmahl (s. Markus 14,15; Lukas 22,12) und die Salbung zu Betanien (s. Matthäus 26,8 und parallele Evangelienstellen), die der Einsetzung der Eucharistie vorausgingen. In der letzteren Episode hat Christus angesichts der entrüsteten Einwendung des Judas – so wie auch der „Judas-Charaktere“ aller Zeiten – „man könne doch so vielen Armen mit diesem Geld helfen!“ selbst gesagt, dass Dekorum notwendig ist. An anderer Stelle zitiert der Papst einen Abschnitt vom Heiligen Johannes Chrysostomus, in dem versichert wird, dass das Dekorum kein Luxus ist, dass es aber immer auf die essentielle Armut bezogen sein muss: Sicher ist es nicht recht, kostbare Kelche zu haben und goldene Säulen aufzurichten, während Christus in Armut auf der Straße stirbt. Die Kirche hatte aber immer einerseits die Liebe zum Dekorum, andererseits den Eifer für die Caritas. Und wie überzeugend lässt sich doch feststellen, dass die großen Heiligen der Nächstenliebe und der freiwilligen Armut sich immer durch ihre Liebe für den Glanz des göttlichen Kultes ausgezeichnet haben. Die Heiligkeit ist im Übrigen immer weit entfernt von Demagogie und folgt ihrer eigenen Logik der reinen Liebe. Sicherlich soll ein Gleichgewicht im Dekorum herrschen, das nicht Luxus und Zurschaustellung sein darf. Die Kirche – so liest man in der Enzyklika – fürchtete sich nicht vor „Verschwendung“, wenn es darum ging, Geld auszugeben für die Schönheit und für das Dekorum. Dieses dient tatsächlich dem Zweck des „Staunens in der Anbetung vor dem unermesslichen Geschenk“. Das Dekorum hat sein Ziel darin, die Bewunderung für das Mysterium hervorzurufen, das in der Eucharistie verborgen ist.

Das Dekorum beruht offensichtlich ganz besonders auf einer innerlichen Einstellung, und die Kunst gehört mit vollem Recht dazu, denn in ihr drückt sich die Beziehung zur Schönheit aus und sie steht im Dienst des Inhaltes. Das Dekorum darf deshalb nicht Zurschaustellung sein, um nicht in sich selbst sein Ziel zu finden, um nicht Filter oder Ablenkung zu sein. Es ist dafür bestimmt, das Gebet zu begünstigen und das Staunen vor dem verborgenen Mysterium. Aus derselben Quelle ist die christliche Liturgie entstanden, die aus dem Festmahl hervorgeht und dadurch eine Stimmung der Feierlichkeit und der Schönheit schafft.
 
Dieses Abendmahl ist daher nicht einfach eine Mahlzeit, vor allem aber auch ist es das Opfer Christi. Es ist notwendig zu verstehen, dass es sich um das Abendmahl handelt, in dem sich Christus selbst aufopfert. Aus diesem Grund ist es nötig, darauf zu achten, das Mahl nicht zu banalisieren. In diesem Sinn soll auch die christliche Kunst dabei helfen, verständlich zu machen, dass es sich um das Opfer des menschgewordenen Gottes handelt, indem vermieden wird, dass die Dinge rund um den Altar Banalität ausdrücken, so wie auch die Gesänge und die Musik.

Immer wieder kann die Kunst nicht umhin, zwei extreme Gegensätze zu vermeiden: einerseits einen ärgerniserregenden Realismus, andererseits einen exzessiven Symbolismus. Auf der einen Seite muss sie das erzählen, was die Gläubigen verstehen lässt, dass ein Ereignis stattgefunden hat, aber dies darf nicht banal geschehen, da es sich doch um das Opfer des Gott-Menschen handelt. Auf der anderen Seite kann sie nicht alles auf ein Symbol reduzieren und die Kirche so sehr mit Symbolen erfüllen, dass diese gegenüber den erzählenden Inhalten und den realistischen Darstellungen überwiegen. Der Sinn des Mysteriums, welches zu erwecken die Kunst aufgerufen ist, sollte sein, die Gläubigen zur richtigen Einstellung zu bringen, zu einer essentiellen Bußgesinnung, zur Demut, zu einer Erwartungshaltung, zur ehrfürchtigen Sehnsucht nach der Begegnung mit dieser Gegenwart: „Herr ich bin nicht würdig, dass Du eingehest unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“ Die sakrale Kunst hat also die Aufgabe, jene Atmosphäre zu schaffen, jenen physischen Ort, der das Gebet in Andacht ermöglicht, der die Anbetung begünstigt und die Gefühle für die Nächstenliebe belebt.

Im Übrigen kann man auch daran erinnern, dass eine gute Voraussetzung, in der Einstellung gegenüber der Eucharistie richtig zu leben, im Sakrament der Wiederversöhnung gegeben ist. Mir kommt zum Beispiel der schöne Altar von Rogier van der Weyden mit der Darstellung der Sieben Sakramente in den Sinn, auf dem sich die Zelebration in verschiedenen Kapellen einer Kirche abspielt, natürlich mit der Eucharistie im Zentrum und darüber einem großen Kruzifix, da von diesem der Quell der Gnaden hervorströmt. Es ist dies ein wunderbares Beispiel, wie die Kunst eine richtige spirituelle Einstellung deutlich macht: In diesem Fall ist es Christus im Zentrum als Quelle der Erlösung, in deren Genuss die Gesten des Gebets und der Liturgie gelangen, im Einzelnen durch die Sakramente, vor allem aber durch die Eucharistie. Eine solche Beobachtung könnte auch eine Empfehlung sein, sich die architektonische Gestaltung einer Kirche zu vergegenwärtigen, in ihrer Ausstattung und Ausschmückung auf das Prinzip der Übereinstimmung der einzelnen Teile gerichtet im Sinne einer organischen Gesamtheit des sakralen Raumes. So könnte man beispielsweise veranlasst sein, die Zentralität des liturgischen Geschehens und damit des Altares in Erwägung zu ziehen.
Aber auch der Aufbewahrungsort der Eucharistie, der Tabernakel, ist nicht minder zentral wert, ihm einen spezifischen Ort der Anbetung, der Stille und des Gebets zu widmen, der beim Eintritt in die Kirche sofort sichtbar ist.
 
In vielen Fällen scheint es, wenn Architektur oder Kunst entsteht, als ob die Ursprünglichkeit ein unverzichtbarer Wert für sich selbst sei. Tatsächlich denkt aber die Kirche nicht genau so. In der Tat sind nicht einmal die Doktrinen und Möglichkeiten der Statik unveränderlich, aber Fortschritt geschieht und organisches Wachstum erfolgt – um mit Vinzenz von Lerins zu sprechen – in ununterbrochener Tradition. In Wirklichkeit gibt es nichts wahrhaft Neues in dem Sinn, das ursprünglich unerhört bedeutet; es geht eher darum, einen Anhaltspunkt in der Tradition hervorzuheben in einem größeren Verständnis, worin der Glaubensschatz besteht und was auf die Lebendigkeit des Letzteren hinweist.

In diesem Sinne war die Umgestaltung der Altäre und der Tabernakel während der Jahrhunderte, ebenso wie die Darstellungsgegenstände auf den Altarbildern, nicht allein der Genialität der Künstler zu verdanken, sondern hat sich vor allem aus liturgischen Erfordernissen entwickelt und aus „den Gesetzen eines präzisen Verständnisses für das Mysterium“ (Nr. 49). Zum Beispiel war im 16. Jahrhundert die Notwendigkeit einer Unterstreichung der Realpräsenz wegbereitend, weil diese zur Diskussion gestellt worden war. So hat das Konzil von Trient die Forderung kodifiziert, dass der Tabernakel die endgültige, feierliche Form eines Tempels haben solle und eine zentrale und gut sichtbare Aufstellung auf dem Altar, um die fortwährende Realpräsenz vom Messopfer her zu unterstreichen. Tatsächlich ist die Realpräsenz sicher keine Neuheit in der Glaubenslehre, aber es war seelsorglich notwendig, sie zu einem gegebenen Zeitpunkt aus historischen Zusammenhängen in einer bestimmten Weise hervorzuheben. Zuvor wurde dies mit anderen Hilfsmitteln betont, wie mit dem Mystischen Lamm, das auf dem Altar oder im Gewölbe des Presbyteriums aufgemalt oder skulptiert war, während der Altar unterschiedliche Form und Aufstellungsort besaß, so wie auch der Tabernakel.

Die kirchlichen Auftraggeber hatten niemals Angst vor Neuerungen, aber sie achteten grundsätzlich darauf, dass diese mit der unveränderlichen Lehre der Kirche kohärent sind und schrittweise erfolgen, dass sie für die Gläubigen verständlich sind, in anderen Worten: in den Geleisen der immerwährenden Traditio Ecclesiae. Die christliche Kunst stand immer im Dienst der Gegenwartsbezogenheit, denn die Eucharistie ist nichts anderes, als dass Christus hier und jetzt gegenwärtig ist. Dies drückt Raffael sehr gut in der sogenannten Disputation des Sakraments aus, welche tatsächlich die Darstellung der Kirche ist, die sich in ihrer Gesamtheit versammelt um die Eucharistie, nicht vor einem einzelnen Sakrament, sondern vor dem herausragendsten, culmen et fons.

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Es liegt am christlichen Künstler, das Wesen des Sakraments so zu erfassen, dass es jedem Menschen als gegenwartsbezogen erscheint. Aber wer ist der christliche Künstler? Er ist vor allem Christ in Gemeinschaft mit der Kirche. So gelten für die Kunst ebenso wie für die Liturgie Regeln, die absolut zu respektieren sind, die jedoch eine korrekte Kreativität des Zelebranten oder der Schola nicht unterdrücken und eine lebendige Form der Zelebration bejahen – allerdings eingebettet in ein Ritual, das die Treue zum Willen des Herrn gewährleistet. Dies geschieht in beispielhafter Weise in der Ostkirche und es ist auch im Abendland im Goldenen Zeitalter der liturgischen Kunst geschehen. Die Künstler können Identität nicht deshalb weniger ausdrücken, wenn sie sich selbst und ihre Genialität nicht vor das Geheimnis der Eucharistie stellen, sondern sie verherrlichen ihre Kunst sogar noch mehr, wenn sie diese als Werke im Dienst der Kirche ausführen. In der christlichen Kunst, in der liturgischen Einrichtung, in der sakralen Musik und im Gesang ist es nicht nur eine Frage der Befähigung, der Begabung und Tüchtigkeit des Künstlers, etwas Besonderes zu schaffen, sich Moden anzupassen oder sie zu erfinden, das Problem ist vielmehr, diese Fähigkeit, die jeder wahre Künstler besitzt und ausübt, in den Dienst des Mysteriums zu stellen.

Dies ist möglich, wenn sich der Künstler in Gemeinschaft mit der Kirche befindet, wenn er eine christliche Erfahrung lebt und vom Mysterium bewegt ist. Wer immer sich in die Betrachtung des Werkes „Dreifaltigkeit“ von Andrej Rublev vertieft, legt sich Rechenschaft darüber ab, dass der Künstler imstande ist, etwas auszusagen, weil er in den Mittelpunkt seines christlichen Lebens ganz besonders das Geheimnis der trinitarischen Liebe gestellt hat und daher in der Lage ist, darüber zu sprechen (etwas zu stammeln, so wie jedes „Zwiegespräch“ mit Gott ein Stammeln ist) und anderen dabei zu helfen, sich von der Liebe entzünden zu lassen. Künstler dieser Art gibt es auch im Abendland, wie Beato Angelico, ein tiefreligiöser Dominikanermönch, der voll integriert war in die Entwicklung der figürlichen Kunst seiner Zeit, von der er einer ihrer Meister war; oder Van Eyck mit seiner staunenswerten Anbetung des Mystischen Lammes, in der er die gesamte Lehre über die Eucharistie zusammenfasst; und Caravaggio, in dessen Werken die Dialektik zwischen Gnade und Sünde materialisiert erscheint, die in jener Zeit auch in der Theologie diskutiert wurde.

Wie Paul VI. sagte: die Kunst und die Liturgie sind Schwestern; aber so wie Martha diensteifrig und Maria andächtig war, so soll auch die sakrale Kunst dem Christen dienstbar sein, der in der Kirche andächtig betet. Die authentische sakrale Kunst soll sich ganz klar und ohne den Wert als Hochkunst zu verlieren, als Instrument und im Dienst des Mysteriums sehen, welches annimmt, in ihren Formen bekleidet zu werden, seien sie materiell wie die figürlichen Künste, oder unspürbar wie die Musik.
 

Solche Zielgerichtetheit ist für den modernen Künstler schwer zu akzeptieren, der es gewohnt ist, sich selbst als Hauptfigur seiner Schöpfung zu sehen, aber sie wurde von den christlichen Künstlern der Vergangenheit ruhig und ohne Komplexe angenommen. Es ist uns sogar, was heute undenkbar ist, der größte Teil der Künstler vor dem Ende des Spätmittelalters unbekannt, was verstehen lässt, dass es ihnen weniger wichtig war, ihren Namen unvergänglich zu machen, als ein Werk im Dienst für Gott zu schaffen, ein Opus Dei.

Diese Auffassung von der Kunst beruht auch auf der Intuition, dass die Schönheit nicht Selbstzweck, sondern Mittel und Bedingung für den Ausdruck des Seins ist. Der Beweis dafür ist die Tatsache, dass Schönheit als Selbstzweck nach kurzer Zeit entartet und entäuscht. Hingegen erneuert sie sich immer wieder, wenn sie ihre Beziehung zum Sein aufrecht erhält. In der sakralen Kunst liegt die Zielgerichtetheit der Kunst im Dienst am Kult und in letzter Instanz am göttlichen Ereignis, hauptsächlich an der Eucharistie. Dies bedarf weniger, einfacher Zeichen, die direkt ans Herz des Nutznießers gehen und ihn in Berührung bringen mit jenem Ereignis. In diesem Sinn hat die Schönheit in der christlichen Kunst grundsätzlich eine Ordnungsfunktion: in der Kirche, als Ort der Begegnung des Göttlichen mit dem Menschlichen wird die Unordnung des Lebens durch seinen letzten Sinn geklärt. In der Sakralkunst scheint das durch, was man bereits mit den Augen des Glaubens sieht. Das offenbart sich in der neuen Wirklichkeit, das heißt der Kirche, dem Neuen Jerusalem

Seine Exzellenz
+ Mauro Piacenza
Titularbischof von Vittoriana
Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche
Präsident der Päpstlichen Kommission für Sakrale Archäologie.

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